Energiekonferenz am 18. Juli: Zukunft, aber wie?

Kommt der Strom auch morgen noch aus der Steckdose?

Wie wird die elektrische Stromversorgung der Zukunft beschaffen sein? – aktueller konnte ein Thema nicht sein, zu dem sich am 18. Juli über 120 Teilnehmer in den Räumen der TÜV SÜD AG in München trafen.

Strom ist der Schwerpunkt des ersten Teils einer Konferenzreihe, die gemeinsam vom VDI e.V. Landesverband Bayern, dem VDI Bezirksverein München, Ober- und Niederbayern e.V. und der IG Metall Bezirksleitung Bayern – mit freundlicher Unterstützung des IGBCE Landesbezirks Bayern und des VDI e.V. veranstaltet wird.

Begrüßung und Grußworte

Bei seiner Konferenzeröffnung verwies Gastgeber Christoph Huß, Vorsitzender des VDI e.V. Landesverbandes Bayern, auf die aktuelle Bedeutung des Konferenzthemas und unterstrich, dass die Energiewende ohne den Einsatz neuer Technologien nicht gelingen werde.

Johann Horn, Bezirksleiter der IG Metall Bezirk Bayern, machte sich in seinem Grußwort für eine Deckelung der Energiepreise stark und forderte, dass der Umbau der Energieversorgung nur sozial und demokratisch funktionieren werde.

Die Grußbotschaft von Hubert Aiwanger, MdL, Bayerischer Staatsminister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie sowie stellvertretender Ministerpräsident, wurde per Video zugeschaltet.

 

Eröffnungssequenz mit Impulsreferaten

Zum Thema "Energie und Klimaneutralität – Deutschland bis 2045" sprach Philipp Heilmaier, Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena). In einem kurzen geschichtlichen Abriss betonte Heilmaier, dass es in Deutschland in den letzten 30 Jahren gelungen sei, fast 50% der klimaschädlichen Emissionen zu reduzieren.

Die Einsparpotentiale sind weiterhin hoch, leider seien aber die Anstrengungen im Energiebereich in erster Linie eine Stromwende, jedoch weder eine Wärme- noch eine Mobilitätswende.

Die im letzten Jahr erzielten Ergebnisse des Klimagipfels in Glasgow und das EU-Programm "Fit for 55" seien ermutigend, genauso wie das neue deutsche Umweltschutzgesetz mit seinen klar definierten Zwischenzielen. Über alle Studien hinweg herrsche großer Konsens darüber, dass wir weniger fossile Energie verbrennen und mehr erneuerbare Energien aufbauen müssen.

Das Krisendilemma unserer Zeit

Der dena-Experte betonte, dass wir gerade mit drei Krisen gleichzeitig konfrontiert seien: mit der Klimakrise, mit einer Sicherheitskrise und einer Preiskrise. Trotz Anstrengungen der Bunderegierung, zwei LNG-Terminals bis Ende 2022 und zwei weitere bis Mitte nächsten Jahres zu bauen, würde sich die Versorgungssicherheit zwar etwas erhöhen, eine Preisstabilisierung sei aber nicht in Sicht. Und auch mit dem neuen „Energien an Land-Gesetz", wonach 2% der Fläche jedes Bundeslandes für den Ausbau der Erneuerbaren Energien genutzt werden sollen, glaubt Heilmaier, dass dies wahrscheinlich nicht ausreiche, um die Klimaschutzziele zu erreichen und gleichzeitig warm durch den Winter zu kommen.

Deutschland muss mehr in die Umsetzung kommen

Energie-Szenarien" aus volkswirtschaftlicher Perspektive entwarf Dr. Wilhelm Kuckshinrichs, Umweltökonom der Forschungszentrum Jülich GmbH. Am Anfang seines fundierten Vortrags stellte Kuckshinrich fest, dass Deutschland kein Technik-, sondern ein Umsetzungsproblem habe und dass wir bei der Suche nach neuen strategischen Ansätzen zur Energieversorgung, die Fragen der Feasibility (Machbarkeit) sehr viel weiter werden fassen müssen.

Am Beispiel des fast gescheiterten Projekts „Desertec“ machte er deutlich, dass es nicht nur technisch-ökonomische, sondern auch sozio-ökonomische Bedingungen für die Schaffung alternativer Energieversorgung gibt. Darüber hinaus reiche es nicht aus, die Energiediskussion ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Emissionsreduzierung zu betrachten – was die aktuelle Situation sehr deutlich mache. Hier zeigt sich, dass es kein losgelöstes technisches Energiesystem gibt.

Auch eine Frage wechselseitiger Abhängigkeiten

Ganzheitlich betrachtet, ist ein Energiesystem immer eingebunden in die interdependenten Wechselwirkungen mit (inoffiziellen) Regelwerken, Gesetzen, Handlungen und Entscheidungen von Akteuren sowie Präferenzen von gesellschaftlichen Gruppen. Und es ist immer eingebettet in einen wirtschaftlich, demokratischen und einen gesellschaftlichen Kontext einer aktuellen Entwicklung. Die momentane Situation zeigt Kuckshinrichs zufolge nahezu klassisch auf, dass die Einbindung des Energiesystems in einen größeren Rahmen von zentraler Bedeutung sei, was aber heute in vielen (zukünftigen) Energiemodellen fast gänzlich unterschlagen würde.

Die Themen der vier Fachforen

Nach der Mittagspause starteten die vier Fachforen. Mit "Grüner Strom konserviert und haltbar: Energieerzeugung, -Speicherung und innovative Systemführung" beschäftigten sich Severin Mosek, Projektleiter Netzbooster von der TransnetBW GmbH und Dr. Sebastian Fendt vom Lehrstuhl für Energiesysteme, TU München.

Die Moderation übernahm Dr. Andrea Fehrmann, IG Metall Bayern. Über "Mein Kuhstall ist ein Kraftwerk: Stromversorgung von Privathaushalten auf dem Land und in der Stadt" sprachen Dr. Florian Bieberbach, Geschäftsführer Stadtwerke München GmbH und Thomas Pfluger, Gemeinderat Energiedorf Wildpoldsried (Allgäu), moderiert von Kilian Röck, IG Metall.

Prof. Dr. Raphael Lechner, Fakultät Maschinenbau der OTH Amberg-Weiden und Prof. Dr.-Ing. Joachim Seifert, Institut für Energietechnik, TU Dresden, diskutierten unter der Moderation von apl. Prof. Dr.-Ing. János Zierath, VDI BV Mecklenburg-Vorpommern, über "Gemeinsam geht es besser: Ganzheitliche Energiesysteme und Sektorenkopplung".

Die Frage "Der Strom ist bunt: Wie sieht die klimaneutrale Zukunft in 2045 aus?" versuchten Dr. Wilhelm Kuckshinrichs, Forschungszentrum Jülich GmbH und Michael Remy, BUND Naturschutz in Bayern e.V. zu beantworten. Moderiert wurde das Forum von Florian Kerscher, VDI AK Energietechnik.

Podiumsdiskussion

Die Teilnehmer des abschließenden Podiums Thorsten Dietz, Direktor Large Projects DC, TenneT TSO GmbH; Christoph Huß, Vorsitzender des VDI LV Bayern; Dr. Bernhard Langhammer, Sprecher ChemDelta Bavaria Chemiepark Gendorf; Franz Xaver Peteranderl, Präsident des Bayerischen Handwerkstages; Beate Rohrig, Landesbezirksleiterin der IGBCE Bezirk Bayern; Katharina Schulze, MdL, Fraktionsvorsitzende B'90/Die Grünen im Bayerischen Landtag, unter der Moderation von Dirk Vilsmeier, Bayerischer Rundfunk, diskutierten lebhaft über "Technisch ist die Energiewende bereits heute möglich. Doch was ist politisch gewollt und gesellschaftlich zumutbar?".

Hier wurde der Bogen gespannt von der mangelnden Akzeptanz der Bürger für neue Wege der Energieversorgung, über den schon existierenden Fachkräftemangel z.B. im Elektrohandwerk, bis hin zur Suche nach Alternativen zum Erdgas in der Chemieindustrie.

Überschattet von der kritischen Liefersituation von Erdgas aus Russland, wurden auf der Konferenz wichtige industriepolitische und gesellschaftliche Fragestellungen behandelt und interessante technische Lösungsansätze vorgestellt.

Durch das Programm führten Dr. Sandra Siebenhüter, IG Metall Bezirksleitung Bayern vom Team Transformation, und Andreas Wüllner, Vorsitzender des VDI BV München, Ober- und Niederbayern e.V. (im Bild links).