Was haben das Marienmünster in Dießen und die Satelliten Bodenstation in Raisting gemeinsam? Bei beiden sind die Blicke zum Himmel gerichtet. In der Kirche sind es die Besucher, die zu den Fresken des Deckengewölbes blicken, in Raisting sind es die Parabolantennen, die sich auf bestimmte Punkte der Synchronbahn richten, heute reichlich besetzt mit Satelliten aller Art. Zu der Zeit der Kupferkabel und Kurzwellenverbindungen etablierte sich der Satellitenfunk als erste und einzige Technologie, mit der man transatlantische Breitbandverbindungen wie z. B. Fernsehübertragungen durchführen konnte. Die damalige Deutsche Bundespost ließ in den Jahren 1963/64 die erste Antenne errichteten, die man durch eine Kunststoffhülle, dem Radom, vor Wettereinflüssen schützte. Doch breitbandige Nachrichten wurden später als Bits und Bytes kodiert und konkurrenzlos billig durch die Glasfaser geschickt. Als dann 1985 der reguläre Betrieb im Radom Raisting beendet wurde, sicherte eine Gruppe von Mitarbeitern der Erdfunkstelle, den späteren Gründern des Fördervereins Industriedenkmal Radom Raisting e. V., den Erhalt der technischen Einrichtung und der Dokumentation und bewirkte, dass die sog. Antenne 1 als Industriedenkmal erhalten blieb. Heute wird es von der Radom Raisting GmbH verwaltet, einer hundertprozentigen Tochter des Landkreises Weilheim-Schongau. Ihr Geschäftsführer René Jakob führte die Gruppe in temperamentvollem Vortrag durch die Vergangenheit dieser Einrichtung und berichtete eindrucksvoll über die nicht ganz einfachen aber letztlich erfolgreichen Sanierungen der Hülle. Denn die ursprüngliche Hülle wurde durch den Zahn der Zeit aufgelöst, die nächste durch die Gewalt des Sturmtiefs Sabine. Heute glänzt die Kugel des Radoms wieder in strahlendem Weiß und ist inzwischen auch sturmerprobt.
Nicht weniger temperamentvoll führte Herr Sattler die Gruppe durch das Marienmünster, eines der beeindruckendsten Bauwerke des barocken Kirchenbaus in Bayern mit einer ebenso beeindruckenden Baugeschichte, zu der er pointenreiche Details beitrug. Was an Künstlern und Baumeistern dieser Zeit quer durch Europa Rang und Namen hatte war an der Entstehung dieses Meisterwerks mit seinen symmetrischen und klaren Strukturen beteiligt. Es wurde zu einem Wahrzeichen der Gemeinde, das auch als der Thronsaal Gottes oder der Dießener Himmel bezeichnet wird. Der Höhepunkt in diesem wunderschönen Bauwerk aber kam am Schluss: Münsterorganist Stephan Ronkov setzte sich an das Manual der prächtigen Königsorgel und brachte u. a. Präludium und Fuge in Es Dur von J. S. Bach zum Erklingen. So fanden sich an diesem unvergesslichen Nachmittag Technik und Kunst zu einer imposanten Symbiose.
Fritz Münzel
Fotos: Peter Pfeffer, Fritz Münzel, Silvia Stettmayer, Josef Beck, Peter Krizan, Rupert Zunhammer